Bei Trinkwasseranwendungen gilt es, strengere Regeln einzuhalten.

KTW-BWGL-zertifiziertes Elastomermaterial von HTSP erfüllt auch die neuen, verschärften Zulassungsbestimmungen.

Die Zertifizierung nach UBA für KTW-BWGL wurde die letzten Jahre nochmal verschärft. Deutschland will damit u.a. eine Vorreiterrolle in der EU einnehmen. Für Hersteller von Dichtungsmaterialien sind damit die Zertifizierungsanforderungen gewachsen. „Obwohl es mit der Akzeptanz der verschärften Zertifizierung in Europa derzeit nicht gut aussieht, steht inzwischen unser KTW-BWGL-zertifiziertes Elastomermaterial für Trinkwasseranwendungen zur Verfügung“, betonen Dr. Birgit Meuret-Hoppner, Chemist Sr., und Bhumesh Sathvara, Rubber Compound Developer der HOLCIM Technical Solutions and Products GmbH, im Gespräch. Ein weiterer Vorteil ist die Eignung für Heißwasseranwendungen bis 85 °C.

Kommen wir gleich auf eine Kernfrage: Was unterscheidet diese Zertifizierung von der Bisherigen?
Dr. Meuret-Hoppner: Die neuen Zertifizierungen basieren auf strengen Prüfungen der Elastomer-Rohstoffbasis und des fertigen Halbzeugs. Dabei können Hersteller nicht auf alte Zertifikate zurückgreifen, was bisher möglich war. Nicht geändert hat sich die Befristung der Zertifizierung auf fünf Jahre.

Warum wurden die Zulassungen verschärft?
Dr. Meuret-Hoppner: Deutschland hat hier eine Vorreiterrolle eingenommen und man wollte eine Zulassung schaffen, die dann von anderen europäischen Ländern übernommen wird. Dazu kommt, dass die deutschen Trinkwasserarmaturenhersteller wie Geberit, Wilo, Viega sehr hohe Anforderungen an ihre Produkte und die verbauten Bauteile, wie z.B. Dichtelemente, stellen.

Die länderübergreifende Zulassung ist aber noch keine Realität …
Dr. Meuret-Hoppner: …nein, leider nicht, obwohl das vieles vereinfachen und auch die hohen Kosten reduzieren würde. Wie in Europa üblich, pochen viele Länder auf ihre Besonderheiten – z.B., welchem Wasser die Dichtungslösung gerecht werden muss, – und damit auf ihre eigene Zulassung bzw. zusätzlichen Prüfungen. Ein Beispiel hierfür ist die Chlorzehrung bei der ÖNorm B5014-1. Der einzige derzeit übergreifend anerkannte Standard ist FDA-Konformität, die bei unseren Materialien natürlich vorhanden ist. Ansonsten hat unser Material die Zulassungen für England sowie Frankreich und in Österreich läuft die Freigabe.

Führt dieser Aufwand dann auch zu höheren Kosten, die sich nachher im Produktpreis niederschlagen?
Dr. Meuret-Hoppner: Ja, denn die neue Prüfung kostet rund doppelt so viel und alle fünf Jahre ist eine erneute Zertifizierung fällig. Das ist dann für preissensitive Dichtungslösungen im Trinkwasserbereich durchaus problematisch. Da der Trinkwasserbereich in Deutschland auch kein sehr großes Marktsegment ist, haben wir auch andere europäische Märkte im Fokus, um den zulassungsbedingten Kostendruck auf größere Mengen zu verteilen. Auch unsere moderne Fertigung in Europa für die Bahnenware, aus denen die Dichtungen gestanzt werden, wirkt sich hier positiv aus.

Wie sieht es anwenderseitig mit der Umsetzung der KTW-BWGL aus?
Dr. Meuret-Hoppner: Armaturenhersteller und Anlagenbetreiber waren bei diesem Thema schon immer zurückhaltend in der Umsetzung, weshalb es auch immer wieder Fristverlängerungen gab. Für Schläuche wurde die Frist jetzt erst erneut bis Mitte 2026 verlängert. Hier sind die Herausforderungen auch größer als bei Dichtungen. Für Dichtungen gibt es keine Fristverlängerung und auch keinen Grund dafür, denn die leistungsfähigen Materialien stehen ja zur Verfügung.

Elastomerdichtungen waren in der Vergangenheit ein realisierter Ansatz. Wie sieht es bei TPE und Fasermaterialien aus?
Dr. Meuret-Hoppner: Dazu kann ich nichts sagen, da wir diese Werkstoffe nicht im Portfolio haben. Auch sind die Prüfungen bei jedem Werkstoff anders.

Wie bewerten Sie die grundsätzliche Eignung von TPE als Werkstoff für die Dichtungsanwendungen in diesem Bereich?
Dr. Meuret-Hoppner: Der Werkstoff mag für viele Anwendungen interessant sein. Für Dichtungsanwendungen fehlt ihm – im Vergleich zu Elastomermaterialien – die notwendige Elastizität. Ein Dichtelement muss über seine gesamte Lebensdauer – bei hohen und tiefen Temperaturen, unter Druck oder unter Medieneinfluss – elastisch bleiben und eine hohe Rückstellkraft aufweisen, damit es sicher abdichtet. Und diese Elastizität eines Dichtelementes basiert nun mal auf Elastomeren und der Anteil an Elastomeren ist im Gummi am höchsten.

Auch andere Dichtungslösungen haben eine Zertifizierung nach UBA für KTW-BWGL – was macht hier den Unterschied?
Dr. Meuret-Hoppner: Aktuell erfüllen kaum Materialien die neuen Anforderungen – und wenn, dann – meines Wissens nach – nur für Kalt- und Warmwasser. Unser Material ist für Heißwasseranwendungen bis 85 °C zertifiziert, was das Einsatzspektrum deutlich erweitert und auch den standardisierten Einsatz des Materials erlaubt.

Nachhaltigkeit ist auch in der Dichtungstechnik ein wichtiges Thema. Wie beurteilen Sie dies in diesem Kontext? Sind nach KTW-BWGL zugelassene biobasierte Dichtungswerkstoffe denkbar?
Sathvara: Sie sind nicht nur denkbar, sondern wir haben sie bereits entwickelt. Diese Materialien bringen die gleiche Performance wie die bisher zugelassenen. Allerdings haben wir noch keine Zulassung beantragt.

Warum?
Sathvara: Biobasierte Materialien kosten i.d.R. mehr und deshalb haben wir bei diesen preissensitiven Dichtungslösungen auch nicht die entsprechende Marktnachfrage.

Dieses Marktverhalten gibt es derzeit auch bei anderen biobasierten Materialien. Was müsste sich ändern?
Sathvara: Das Thema „Nachhaltigkeit“ müsste wahrscheinlich tiefer im Mindset in den Unternehmen, die diese Dichtungen einsetzen, verwurzelt sein. Derzeit liegt der Fokus auf dem möglichst günstigen Stückpreis dieser Dichtungen bei Einhaltung der aktuellen Zulassungen und maximaler Performance. Das Argument, dass alle Beteiligten, z.B. über etwas höhere Dichtungskosten, zu mehr Nachhaltigkeit beitragen könnten, greift derzeit nicht. Auch ist ein nachhaltiges Dichtelement in einer Trinkwasserarmatur offensichtlich kein Wettbewerbsvorteil bzw. Verkaufsargument.

Wirkt sich ein solches Marktverhalten negativ auf die Entwicklung von neuen Dichtungswerkstoffen aus?
Sathvara: Nein, wir haben unsere Entwicklungen immer den absehbaren Markttrends und kundenspezifischen Anforderungen entsprechend betrieben. Darauf sind wir mit unseren Elastomerdichtungsmaterialien spezialisiert, die ja nicht nur in Trinkwasseranwendungen, sondern auch in Bereich Isoliermatten, Elektronik, Transformatoren und Antriebsmotoren, z.B. bei namhaften Anlagenherstellern wie SEW, zum Einsatz kommen. Die aufwändigen Zulassungen, die schnell mal ein Jahr dauern können, machen wir allerdings nur, wenn wir einen entsprechenden Markt sehen.